Stuttgart.Schwere Nachteile befürchtet AfD-Landtagsfraktionschef Bernd Gögel, sollte der Verfassungsschutz seine Partei beobachten. Im Interview nennt er gleichzeitig die Wahl eines Spitzenkandidaten für die baden-württembergische Landtagswahl überflüssig.

 

Herr Gögel, wie halten Sie es selbst es in diesem Corona-Jahr mit dem Urlaub?

Bernd Gögel: Wir sind verliebt in die französische Provence. Da waren wir die letzten zehn Jahre. Das wagen wir dieses Jahr nicht. Die Situation kann sich ja innerhalb von zehn Tagen so verändern, dass man plötzlich nach dem Urlaub in Quarantäne muss und seiner Arbeit nicht mehr nachgehen kann. Das Risiko ist mir zu hoch. Deshalb geht es am Ende der Sommerferien an die Ostsee.

Die AfD fordert die Aufhebung der Maskenpflicht und des Abstandsgebots. Halten Sie das angesichts der wieder steigenden Infektionszahlen für angemessen?

 

Gögel: Wir testen im Augenblick viel mehr als im April oder Mai. Es liegt doch trotz der unklaren Dunkelziffer nahe, dass wir bei einer dreifachen Anzahl von Tests auch mehr Infizierte finden. Das Virus hat sicher etwas andere Auswirkungen als eine normale Grippe. Von daher ist es nicht zu unterschätzen. Speziell bei Menschen, die Risikopatienten sind. Da sind aber auch bei üblichen Grippen mehr gefährdet. Dass wir gegen das Abstandsgebot sind, wäre mir neu…

…ihr Stellvertreter Emil Sänze fordert das schriftlich…

Gögel: Ich glaube, wer Bedenken hat sich anzustecken, wird automatisch Abstand nehmen und größere Menschenansammlungen meiden. Wo das nicht möglich ist, kann man auch eine Maske tragen.

Zur Verdeutlichung: Jeder soll selbst entscheiden können, ob und wo er Maske tragen will?

Gögel: Viele Ärzte sagen, dass Masken mehr schaden als nützen. Ich neige eher diesen Fachleuten zu.

Die Vorbereitungen für die Landtagswahl laufen auf Hochtouren. Alle Parteien außer der AfD haben einen Spitzenkandidaten nominiert. Verzichtet die AfD darauf?

Gögel: Das müssen die Mitglieder des Parteitags entscheiden, den wir im September, spätestens Anfang Oktober durchführen wollen. Im Mittelpunkt stehen die Verabschiedung des Wahlprogramms und die Vorstellung der Kandidaten. Da wird es sicherlich einen Antrag zur Wahl eines Spitzenkandidaten geben. Ich halte das aus mehreren Gründen für nicht richtig. Weil die AfD keine sicheren Wahlkreise hat, ist nicht garantiert, dass der Spitzenkandidat auch in den Landtag kommt. Wenn der Spitzenkandidat den Einzug verpasst, wäre das schon blamabel. Der zweite Grund: Sollte nicht der Fraktionsvorsitzende Spitzenkandidat werden, würde die Fraktion in dieser Phase geschwächt. Ich muss nicht Spitzenkandidat werden, weil ich als Fraktionsvorsitzender automatisch zu den Wahlkampfrunden mit den Spitzenkandidaten der anderen Parteien eingeladen werde.

Unklare Führungsstrukturen ließen sich einfach verhindern, wenn Sie Spitzenkandidat würden…

Gögel: Die einfachsten Lösungen sind nicht immer die besten. Entscheidend ist, was es der Partei bringt, wenn sie mit einem Spitzenkandidaten in den Wahlkampf zieht. Wenn man keinen hat, ist automatisch der Fraktionsvorsitzende der Spitzenpolitiker oder die Landesvorsitzende Alice Weidel. Die hat einen großen Bekanntheitsgrad und ist genauso in der Lage, viele Termine wahrzunehmen. Das hielte ich für eine gute Lösung.

Sie halten also einen Spitzenkandidaten für überflüssig, wenn es nicht die Landesvorsitzende ist?

Gögel: Ich persönlich halte das für überflüssig. Wenn der Parteitag es möchte und ich wäre tatsächlich im Enzkreis wieder nominiert, würde ich mich aber nicht weigern, da zu kandidieren.

Welche Punkte am Wahlprogramm sind Ihnen besonders wichtig?

Gögel: Wir haben in der vergangenen Woche unser Zukunftskonzept für die Infrastruktur vorgestellt. Ein ähnlich weitreichendes Konzept erwarte ich für den Wohnungsbau. Wir möchten Ideen für die nächsten Jahrzehnte entwickeln, wie und wo wir im Jahr 2050 wohnen.

Viele AfD-Mitglieder fürchten um ihre Karriere, wenn die Partei vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Wie groß ist der Schaden?

Gögel: Der Verfassungsschutz wird da instrumentalisiert. Wen will man als Flügel beobachten? Bei den Jungen Alternativen haben sich ein paar junge Menschen etwas tollpatschig oder daneben benommen. In Baden-Württemberg ist die Junge Alternative – leider – eine kleine Gruppe geworden, die in den letzten zwei Jahren ganz diszipliniert vorgegangen ist. Wenn der Verfassungsschutz das prüfen will, soll er das machen, dann aber auch mal ein Ergebnis vorlegen. Ansonsten gebe ich Ihnen recht: Sollte es je zu einer Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz kommen, würde das einen Verlust von Mitgliedern bedeuten und mit Sicherheit auch von Wählern. Es gibt Polizeibeamte, die bei uns Mitglied sind. Auch junge Menschen, die Lehrer werden wollen, befürchten Nachteile. Das hemmt eine Partei gewaltig. Das ist nicht zu verniedlichen, wie einige bei uns glauben. Das ist eine schwere Keule.

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